Regionale Fallstudien - Blick in die Regionen
So vielfältig und verschieden wie die Regionen, so vielfältig und verschieden sind auch die Weiterbildungschancen und Weiterbildungsinfrastrukturen in Deutschland. Doch was beeinflusst eigentlich, ob sich Menschen in ihrer Region weiterbilden? Jenseits der datenbasierten Analysen haben wir in einigen Regionen genauer hingeschaut – auf deren wirtschaftliche, infrastrukturelle, und soziale Besonderheiten, wie auch auf die Weiterbildung selbst. Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung und der Freien Universität Berlin haben mit Menschen gesprochen, die vor Ort Weiterbildung tragen, fördern und entwickeln.
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Zu den Fallstudien
Region Lausitz Spreewald – Eine ländliche Region nimmt ihre Zukunft ins Visier
Altmark – Geringe wirtschaftliche Perspektiven, sinkende Weiterbildungsbeteiligung
Donau-Iller – Hoher Weiterbildungsbedarf trifft hervorragende Infrastruktur
Unterer Neckar - Starke Region mit großer Vielfalt, auch in der Weiterbildung
Aachen - Rätselraten um geringe Weiterbildungsbeteiligung
Auswahl & Vorgehen
Die Regionen wurden ausgewählt, weil sie besonders auffällige Werte oder Entwicklungen hinsichtlich ihrer Teilnahmequote bzw. Potenzialausschöpfung bei der Weiterbildung aufweisen. Das heißt, die Trends in der Weiterbildungsbeteiligung verlaufen in diesen Regionen entweder konstant jenseits der Erwartungswerte oder zeigen eine besonders deutliche Entwicklung. Wir haben uns gefragt, welche regionalen Faktoren diese Besonderheiten erklären. Was beeinflusst also das Weiterbildungsangebot und die Weiterbildungsnachfrage? Ist es die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung? Sind es verkehrstechnische Anbindungen – also die Erreichbarkeit von Weiterbildungsangeboten? Liegt es am Zusammenspiel von Trägern, Förderern, Kommunen und Unternehmen? Oder an der Art und Präsentation der Weiterbildungsangebote?
Die Betrachtung zentraler Kennzahlen der Region stellt den Startpunkt jeder Fallstudie dar. Je Region wurden darüber hinaus Einrichtungen bzw. Träger – von öffentlich finanzierten Weiterbildungseinrichtungen über Wirtschaftsverbände bis zu privaten Weiterbildungsinstituten – ausgewählt, um mit verantwortlichen Mitarbeitern Interviews über die Entwicklung der regionalen Weiterbildungslandschaft seit dem Jahr 2007 zu führen. Für folgende sieben Raumordnungsregionen haben wir eigene Fallstudien erstellt: Lausitz- Spreewald, Altmark, Aachen, Donau-Iller, Unterer Neckar, Main-Rhön und Schleswig- Holstein-Nord. Die Fallstudien der beiden letztgenannten Regionen betrachten besonders die Weiterbildungssituation von Geringqualifizierten.
Gründe & Perspektiven
Weiterbildung umfasst vieles, was den Horizont eines Menschen erweitert – sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht. Dem einen eröffnet eine Weiterbildung neue Perspektiven im Job, dem anderen macht ein Sprachkurs vielleicht einfach Freude und gibt das gute Gefühl, etwas für sich zu tun. Allerdings spielt die berufliche Weiterbildung mit Abstand die größte Rolle. Die Teilnahme an einer Weiterbildung ist häufig enger mit beruflichen Interessen verknüpft als mit privaten. Auch deshalb wird ein besonderes Augenmerk auf die berufsbezogene Weiterbildung vor Ort gelegt.
Die folgenden Fallstudien erlauben kein abschließendes Urteil über die regionalen Einflüsse auf die Weiterbildung. Sie lassen aber interessante Schlüsse zu, zeigen Probleme auf und geben Hinweise auf Erfolgsfaktoren, die für die Zukunft der regionalen Weiterbildungslandschaft Impulse geben können. Zudem helfen sie Akteuren in anderen Regionen, Risiken und Chancen innerhalb ihrer Weiterbildungsstrukturen zu erkennen und Potenziale vor Ort besser auszuschöpfen – für mehr gesellschaftliche Teilhabe, beruflichen Erfolg, soziale Sicherheit und Wohlbefinden der Menschen in ihrer Region.
Die Langfassungen der Fallstudien sind dem Ergebnisbericht des Deutschen Instituts für Erwachsenbildung beigefügt und unter folgender Adresse abrufbar: www.ergebnisbericht.deutscher-weiterbildungsatlas.de
Zusammenfassung – Wirtschaft, Erreichbarkeit, Vernetzung und Beratung spielen eine zentrale Rolle
Die Fallstudien zeigen, wie vielfältig die Weiterbildungslandschaft in Deutschland ist – und wie unterschiedlich die Rahmenbedingungen, in denen regionale Angebote und Initiativen ihre Wirkung entfalten. Doch wovon hängt es ab, ob Regionen ihre Weiterbildungspotenziale ausschöpfen oder nicht? Es gibt nicht die eine Antwort auf diese Frage, aber es gibt verschiedene Faktoren, die besonderen Einfluss auf die Weiterbildungsbeteiligung vor Ort zu haben scheinen.
Alle von uns untersuchten Regionen unterscheiden sich deutlich, sowohl hinsichtlich ihrer sozioökonomischen Merkmale als auch der jeweiligen Angebote und Netzwerke in der Weiterbildung. Einige Regionen übertreffen die Erwartungen der Weiterbildungsbeteiligung, andere bleiben dahinter zurück. Auch wenn sich aus den Fallstudien allein keine kausalen Schlussfolgerungen ableiten lassen, so trägt die genauere Betrachtung der regionalen Verhältnisse dazu bei, Erkenntnisse über die Bedeutung zentraler regionaler Einflussfaktoren auf die Weiterbildungsbeteiligung zu gewinnen.
Eine gute Konjunktur ist auch gut für die Weiterbildung
Die wirtschaftliche Dynamik hat den größten Einfluss auf die regionale Weiterbildungsbeteiligung. In den wirtschaftlich stärkeren Regionen mit dynamischen Arbeitsmärkten – siehe Donau-Iller, Schleswig-Holstein Nord, Unterer Neckar oder auch Main-Röhn – zeigt sich eine höhere Weiterbildungsbeteiligung als in den wirtschaftlich schwächeren Regionen, die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt sind. Eine Region wie Main-Röhn, die quasi Vollbeschäftigung erreicht hat, braucht jede Arbeitskraft. Dementsprechend hoch sind die Chancen, durch berufliche Weiterbildung schnell auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Ein Umstand, von dem auch Geringqualifizierte profitieren. Anders das Bild beispielsweise in der strukturschwachen Altmark: Hier zeigt sich exemplarisch, wie mit dem wirtschaftlichen Abschwung der Bedarf an weitergebildeten Arbeitskräften schwindet und das Engagement der Förderer und Akteure in der Weiterbildung sinkt. Anlass für die Frage, wie in solchen Situationen auch politisch gegengesteuert werden kann.
Die an diesen Fallstudien beteiligten Wissenschaftler empfehlen, Weiterbildung in jedem Fall eng mit Institutionen der Wirtschaftsförderung und Unternehmensverbänden zu koordinieren, damit Weiterbildungsanbieter frühzeitig auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren können. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann sich dies positiv auf die Entscheidung von Unternehmen auswirken, bei einem entsprechenden Angebot und gegebenenfalls notwendiger Förderung in die Qualifi kation ihrer Belegschaft zu investieren. In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs können dann passgenaue Weiterbildungsmöglichkeiten zeitnah entwickelt, ausgebaut und angeboten werden, und die positiven Effekte für Unternehmen und ihre Mitarbeiter verstärken.
Kooperation schont Ressourcen und verbessert das Angebot
Vernetzung erscheint ebenfalls als Schlüssel, um die regionale Weiterbildungsbeteiligung voranzutreiben. Abgestimmte Angebote, eine gute Öffentlichkeitsarbeit und der effektive Umgang mit Ressourcen funktionieren einfach besser, wenn Akteure sich zusammenschließen. Naheliegende These: Ein hoher und professionalisierter Vernetzungsgrad aller Beteiligten bildet eine solide Grundlage, um die Weiterbildungsbeteiligung zu fördern.
In prosperierenden Regionen wie Unterer-Neckar, Schleswig-Holstein Nord, Donau-Iller und Main-Röhn bestehen jeweils starke Netzwerke zwischen der öffentlichen Hand und den Akteuren in der Weiterbildung. Durch sie lassen sich Stärken bündeln und Angebot und Nachfrage bedarfsgerecht abstimmen.
Aber auch in wirtschaftlich schwächeren Regionen wie Lausitz-Spreewald und Altmark bestehen Netzwerke, die daran arbeiten, dass Weiterbildung in der Fläche präsent bleibt und zielgruppen- und bedarfsspezifische Angebote für bestehende Probleme sowie zukünftige Herausforderungen geschaffen werden. Werden solche Netzwerke geschwächt oder vernachlässigt, verstärkt sich die Gefahr, dass die Weiterbildungsbeteiligung weiter sinkt.
Weite Wege zur Weiterbildung überwinden
Bedeutend für die Weiterbildungsbeteiligung ist auch die Verkehrsinfrastruktur einer Region. So trivial es scheint: Es macht einfach einen Unterschied, ob durchschnittlich 47 Minuten für die Anfahrt (wie beispielsweise aus den entlegeneren Gebieten der Region Aachen) oder nur 19 Minuten (wie in der Region Donau-Iller) nötig sind, um das nächstgelegene Oberzentrum (und damit den Großteil der Weiterbildungsangebote) zu erreichen. Naheliegende These: Lange Anfahrtswege und mangelnde Anbindung erschweren den Zugang und mindern die Bereitschaft und Möglichkeit der Menschen, an Weiterbildung teilzunehmen.
Hinweise auf diesen Zusammenhang finden sich beispielsweise in der Region Altmark, wo die interviewten Bildungsexperten die geringe Weiterbildungsbeteiligung unter anderem auf die schlechte Verkehrsanbindung zurückführen. In gleicher Weise argumentieren auch die Experten in der Raumordnungsregion Aachen – mit besonderem Blick auf den öffentlichen Personennahverkehr. Wer kein eigenes Auto hat, kann bei schlechten Bus- oder Bahnverbindungen entferntere Weiterbildungsangebote nur schlecht erreichen.
Eine schlechte Erreichbarkeit senkt aber nicht nur die Teilnehmerzahlen, sondern schreckt auch Dozenten ab. Angesichts niedriger Honorare wird für Dozenten eine Tätigkeit in der Weiterbildung umso unattraktiver, je schwieriger die Anreise ist. Weiterbildungsanbietern fällt es in der Folge schwerer, ihre Angebote in der Fläche aufrechtzuerhalten. Der Ausbau des ÖPNV kann daher gerade in strukturschwachen Regionen ein wesentlicher Faktor sein, um sowohl die Weiterbildungsbeteiligung als auch das Weiterbildungsangebot positiv zu beeinflussen.
Die richtige Weiterbildung durch unabhängige Beratung
In der freien Marktwirtschaft leben die Anbieter von Produkten und Dienstleistungen davon, das eigene Produkt an den Kunden zu bringen. Auch Anbieter von Weiterbildung haben dieses Interesse. Bei den Nachfragern hingegen herrscht oftmals Unsicherheit darüber, welche Angebote nun genau zu ihnen passen und welche Ergebnisse sie erwarten dürfen. Gerade deshalb ist der Ausbau transparenter und unabhängiger Beratung in der Weiterbildung wichtig.
Es zeigt sich, dass dies in Regionen mit einer guten Vernetzung und Kooperation der Weiterbildungsträger und -anbieter besonders gut gelingt. Ein Beispiel dafür ist die Region Donau-Iller mit ihren zwei eigenständigen, übergreifenden Bildungsportalen. Die hier angebotene Beratung konzentriert sich auf die Schwerpunkte Aufstiegsfortbildung, Berufsorientierung und Wiedereinstieg in den Beruf, aber auch auf das Thema Selbstständigkeit oder die Erstberatung zu staatlichen Fördermöglichkeiten für eine Weiterbildung. Spezielle Beratungsangebote für Frauen zur beruflichen Orientierung und zum Wiedereinstieg, mit Einzel- und Gruppenbewerbungstrainings sowie Existenzgründungsberatung plus der Beratung von Unternehmen sind ein Beispiel dafür, dass erfolgreiche Beratung in der Weiterbildung unabhängig sein kann.