Aachen

                           Rätselraten um geringe Weiterbildungsbeteiligung

 

Die Raumordnungsregion Aachen weist über den gesamten Untersuchungszeitraum eine deutlich unterdurchschnittliche Teilnahmequote auf. Mit 6,5 Prozent liegt sie mehr als die Hälfte unter dem Bundesdurchschnitt. Daran ändert sich über die Jahre wenig. Auf Basis der Sozialstruktur wird für Aachen eine Teilnahmequote erwartet (11,8 Prozent), die unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Bereinigt um die Wirtschafts- und Infrastruktur der Region ergibt sich für den Untersuchungszeitraum eine Potenzialausschöpfung von knapp 55 Prozent. Wodurch lassen sich diese dauerhaft niedrigen Teilnahmequoten erklären?

Rund 1,3 Millionen Menschen leben in der Raumordnungsregion Aachen. Diese umfasst die Städteregion Aachen sowie die Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg. Die Bevölkerungsdichte der Region lag 2011 mit rund 363 Einwohnern je Quadratkilometer über dem bundesdeutschen Schnitt (229) und unter dem Schnitt des Landes Nordrhein-Westfalen (523). Innerhalb der Region schwankt die Bevölkerungsdichte erheblich: von 802 in der Städteregion Aachen bis zu 153 im Kreis Euskirchen.

Autofahrer haben durch das dichte nordrhein-westfälische Autobahnnetz kurze Fahrzeiten: Rund 11 Minuten dauert es durchschnittlich bis zur nächsten Autobahn. Das ist im Bundesvergleich (18 Minuten) recht schnell. Auch die Mittelzentren sind innerhalb von 6 Minuten mit dem Auto erreichbar. Wer allerdings in den abgelegenen Winkeln der Region wohnt, muss für die Fahrt zum nächstgelegenen Oberzentrum wesentlich mehr Zeit einplanen. Lange Anfahrtswege können ein echtes Hindernis für die Weiterbildungsteilnahme sein.

Die wirtschaftlichen Eckdaten der Region sprechen eine uneinheitliche Sprache: Bei der Bruttowertschöpfung der Gesamtregion (mit gut 28 Milliarden Euro knapp unter dem bundesdeutschen Durchschnitt) liegt die Städteregion Aachen deutlich über den Kreisen Düren, Heinsberg und Euskirchen. Das Einkommen liegt mit 18.200 Euro pro Person leicht unter dem Bundesdurchschnitt.

Unterschiede gibt es auch bei der insgesamt leicht rückläufigen Arbeitslosenquote. Sie betrug im Zeitraum von 2008 bis 2010 ca. 8,5 Prozent und lag damit über dem deutschen Schnitt und auf dem Gesamtniveau des Landes NRW. Besonders hoch ist die Quote in der Städteregion Aachen mit 11 Prozent, deutlich niedriger ist sie im Kreis Euskirchen mit unter 7 Prozent. Der Anteil der Beschäftigten ohne Ausbildung sank zwischen 2007 und 2010 in der Region Aachen von 19 Prozent (NRW: 16,5 Prozent, Bund: 15,0 Prozent) auf 17,7 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der hochqualifizierten Beschäftigten zu und stieg auf 10,8 Prozent in der Gesamtregion. Besonders viele Hochqualifizierte, nämlich 13,7 Prozent, arbeiteten 2010 in der Städteregion Aachen.


Geringe Weiterbildungsbeteiligung – trotz breitem und vernetztem Angebot

Die Weiterbildung vor Ort ist heterogen und durch unterschiedliche Angebotsstrukturen und -dichten charakterisiert. Vor allem die Städteregion Aachen ist gut aufgestellt. Eine zentrale Rolle spielt dort das 2008 gegründete Bildungsbüro, das die Bildungslandschaft seitdem maßgeblich geprägt hat. Neue Impulse setzten auch die Arbeitsgruppe Bildungsberatung sowie der Lenkungsausschuss „Lernende Region Aachen“. Mitglieder dieses Netzwerks sind unter anderem Exploregio.net, die Handwerkskammer Aachen, die Fachhochschule Aachen, die IHK Aachen, die RWTH Aachen sowie zahlreiche weitere Einrichtungen aus Verwaltung, Hochschule und Wirtschaftsförderung. Mit den Beratungsnetzwerken ist darüber hinaus auch die Volkshochschule verknüpft.

In den Kreisen der Region arbeiten zahlreiche Netzwerke im Bereich Weiterbildung. Im Kreis Düren sind dies beispielsweise berufliche Schulen, Gewerkschaften, Handwerk und Industrie. Schwerpunkte sind unter anderem Berufsvorbereitungskurse und Lehrgänge in den Bereichen Wirtschaft, Informations-, Metall-, Elektro und Bautechnik. Die Bildungsexperten der Region loben das Weiterbildungsportal für den Kreis Düren, das Interessenten über die verschiedenen Bildungsmöglichkeiten informiert.

Im Kreis Euskirchen unterhält das Regionale Bildungsbüro ein Kommunales Bildungs- und Integrationszentrum (KoBIZ). Dort sind zum Beispiel das Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss“ sowie die Sozialplanung und Sozialberichterstattung zu Hause. Bildungsberatung wird vom Bildungsinstitut der Rheinischen Wirtschaft und der Agentur für Arbeit Aachen-Düren in Euskirchen angeboten. Und seit über 16 Jahren gibt es im Kreis Heinsberg „Das Team für berufliche Bildung – Weiterbildungsakademie Schöne“ mit zahlreichen Angeboten im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildungsberatung. Allerdings sind diese Angebote nicht so bekannt wie die Beratungsangebote der Volkshochschule.

Bildungsexperten beschreiben die Netzwerkstrukturen der Region Aachen als gut ausgebaut und vielfältig. Ein Beispiel dafür ist das 1997 gegründete „Netzwerk Weiterbildung“, ein Zusammenschluss von elf nach dem Weiterbildungsgesetz anerkannten regionalen Weiterbildungseinrichtungen. Die Mitglieder treffen sich bis zu vier Mal im Jahr, planen gemeinsame Veranstaltungen und entwickeln Strategien, um im bildungspolitischen Raum tätig zu werden. Lust auf Weiterbildung und Beruf machen außerdem Einzelinitiativen wie die Jobmesse „Bonding“ (die auf eine Studenteninitiative zurückgeht), oder auch das „Azubi-Speed-Dating“ der IHK Aachen. Bildungsexperten der Region fürchten jedoch, dass mit dem Ende des Projekts „Lernen vor Ort“ das für die Städteregion entwickelte Netzwerk der Bildungsberater auseinanderfällt. Dass der öffentliche Verkehr in den ländlichen Gebieten lückenhaft ist, sehen die Experten als hinderlich für die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten. Hier könnte ein Ausbau des ÖPNV die konstant niedrige Teilnahmequote an der Weiterbildung vor allem in den strukturschwachen Bereichen der Raumordnungsregion Aachen erhöhen.


Fazit

Der Blick auf den Raum Aachen zeigt eine Region, die gute Voraussetzungen für eine wesentlich höhere Weiterbildungsteilnahme aufweist. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es derzeit keine Erklärung für die niedrige Beteiligung. Die Netzwerke sind gut ausgebaut und fördern den Erfahrungsaustausch sogar über die regionalen Grenzen hinweg. Zudem ist die Bildungsberatung derzeit gut ausgebaut. Ein Grund für die geringe Potenzialausschöpfung könnte in der Exklusivität und mangelnden Niederschwelligkeit mancher Angebote liegen, wie zum Beispiel der wissenschaftlichen und hoch spezialisierten Angebote der technischen Hochschule in Aachen (RWTH). Kernprobleme dieser Region scheinen aber die Größe der Einzugsgebiete, das deutliche Stadt-Land-Gefälle und die schlechte Erreichbarkeit von Angeboten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu sein.

 

 

 

 

Dieser Text basiert auf einer wissenschaftlichen Fallstudie von Stefanie Jütten, die an dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung durchgeführt wurde.

Die ausführliche Fallstudie findet sich in dem Ergebnisbericht des Deutschen Institutes für Erwachsenenbildung unter www.ergebnisbericht.deutscher-weiterbildungsatlas.de