Altmark

Geringe Perspektiven, sinkende Teilnahme

 

Die Raumordnungsregion Altmark in Sachsen-Anhalt wies 2007 eine Teilnahmequote von 12,5 Prozent auf. Damit lag sie leicht unter dem Bundesdurchschnitt, übertraf aber ihre statistischen Erwartungen um 4,9 Prozent. Im Laufe des Untersuchungszeitraums sank die Teilnahmequote pro Jahr um durchschnittlich 6,6 Prozentpunkte. Dieser deutlich negative Trend resultiert in einer Potenzialausschöpfung von 74,4 Prozent zwischen 2007 und 2012. Zum Ende des Untersuchungszeitraums wurden sogar nur 50 Prozent des Potenzials ausgeschöpft. Die in der Altmark durchgeführte Fallstudie sollte Hinweise liefern, wie es zu einem solchen Rückgang der Teilnahmequote kam.

Stendal ist das Zentrum der Altmark, einer 4.716 Quadratkilometer großen Raumordnungsregion im Norden von Sachsen-Anhalt. Die rund 209.000 Einwohner leben in zwei Kreisen: dem Landkreis Stendal und dem Altmarkkreis Salzwedel. Mit einer Bevölkerungsdichte von rund 43 Einwohnern je Quadratkilometer ist dies das am dünnsten besiedelte Gebiet Deutschlands. Und während die Bevölkerung in den letzten fünf Jahren über 5 Prozent schrumpfte, stieg das Durchschnittsalter kontinuierlich an.

Weite Wege zu Versorgungsstrukturen und damit auch zu vielen Weiterbildungsmöglichkeiten bestimmen das Leben in der Altmark: 23 Minuten beträgt die durchschnittliche PKW-Fahrzeit zum nächsten Mittelzentrum, 69 Minuten bis zum nächsten Oberzentrum. Das ist fast doppelt so viel wie im Bundesdurchschnitt.

 


Region mit unterdurchschnittlicher Wirtschaftskraft

Die wirtschaftliche Schwäche der Region zeigt sich beim Bruttoinlandsprodukt 2011: Es lag bei 20.400 Euro je Einwohner in der Region Altmark, der Bundesdurchschnitt betrug 31.700 Euro. Doch selbst im Landesvergleich (22.300 Euro) ist das unterdurchschnittlich.

Kleine und mittlere Unternehmen sowie die Landwirtschaft bieten nicht ausreichend Arbeitsplätze für alle Einwohner, weshalb viele Menschen zu ihrer Arbeitsstätte auspendeln. Die Arbeitslosigkeit lag 2011 in der Region bei 10 Prozent. Typisch für die neuen Bundesländer: Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt steht die Bevölkerung der Altmark bei den beruflichen Abschlüssen überdurchschnittlich gut da.

Aus wirtschaftlicher Sicht steht die Region vor großen Herausforderungen. Der Bereich der Erdgasförderung beispielsweise gehört zu den Feldern, die auf dem Rückzug sind. Bis 2017 soll Schluss sein. Bioenergie soll in der Region einen neuen Stellenwert bekommen. Allerdings werden bislang kaum Betriebe angesiedelt, die mit der Branche zu tun haben. Das Know-how kommt von außen. Ein verstärkter Bedarf an Arbeitskräften ist also weder in diesem Segment noch in anderen flankierenden Branchen zu erwarten. Damit besteht auch kein Bedarf an einer entsprechenden beruflichen Weiterbildung. Mögliche Perspektiven für neue Beschäftigungsverhältnisse – und somit auch eine Nachfrage nach Weiterbildung – könnte dagegen der demografische Wandel mit seinem erhöhten Bedarf an Pflegepersonal mit sich bringen. Ebenso könnten sich Chancen aus der touristischen Entwicklung der Region ergeben – unter anderem durch den Ausbau des Radwegenetzes, wodurch Urlauber angezogen werden sollen.

Im Mittelpunkt des regionalen Entwicklungskonzepts steht die Sicherung der Netzwerkstrukturen ansässiger Unternehmen. Die Unternehmen sollen sich auch überregional vernetzen, Arbeitsplätze sollen geschaffen und gesichert werden. Geld für übergeordnete Entwicklungsprojekte stammt größtenteils aus Europäischen Fonds, wie zum Beispiel dem Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für Ländliche Entwicklung (ELER). Das Land Sachsen-Anhalt finanziert Förderinitiativen, die auf Weiterbildung zielen.

Insbesondere wirtschaftsnahe Einrichtungen berichten in der Region Altmark über landesseitig gut ausgestattete Weiterbildungsprogramme. Die Anbieter fachlich berufsbezogener Weiterbildung klagen allerdings über ein sinkendes Niveau der Teilnehmer. Erklärt wird dies damit, dass viele Höherqualifizierte außerhalb der Region arbeiten. In der Region selbst kommen damit vor allem diejenigen für eine Weiterbildung in Frage, die eher gering qualifiziert sind.

Kommunale Anbieter (VHS) schätzen die kulturellen und freizeitbezogenen Interessen der Bevölkerung als stabil ein. Hier sind es vor allem Frauen, die Weiterbildungsangebote wahrnehmen. Kritisch sehen kommunale Anbieter die Stundensätze, die sie ihren Dozenten zahlen können: In Kombination mit weiten Anfahrtswegen seien Lehraufträge – zum Beispiel an den Volkshochschulen – für die Dozenten wenig attraktiv.

Weiterbildungsexperten der Region berichten, dass die Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen Jahren entsprechenden Budgets weiter gekürzt hat. Das führte nicht nur zu einem verstärkten Konkurrenzdruck unter den privaten Anbietern, sondern letztendlich auch zu weniger Weiterbildungsmöglichkeiten vor Ort.


Erhalt von Arbeitsplätzen steht im Vordergrund

Insgesamt spiegelt die Region Altmark die klassischen Probleme einer schrumpfenden ländlichen Region wider: Schwindende berufliche Perspektiven lassen immer mehr gut Qualifizierte abwandern. Bei stetig sinkender Bevölkerung steht der Erhalt regionaler Beschäftigungsverhältnisse im Vordergrund. Aber: Die Ansiedlung neuer Unternehmen hat derzeit wenig Perspektive. Aufgrund mangelnder Chancen am Arbeitsmarkt bestehen für Arbeitslose kaum Anreize, um an einer (beruflichen) Weiterbildung teilzunehmen. Sinkende Fördermittel verstärken diese Entwicklung möglicherweise.

Als besondere Hürde beim Zugang zum Weiterbildungsangebot sticht zusätzlich die verkehrliche Gesamtsituation einer dünn besiedelten Region hervor. Eine stärkere Vernetzung zwischen kommunalen, wirtschaftszugehörigen und privaten Weiterbildungsanbietern könnte Weiterbildungsinteressierten entsprechende Angebote näher bringen und die Weiterbildungsbeteiligung erhöhen, oder zumindest ein weiteres Absinken der Teilnahme verhindern.


Fazit

In der Altmark leidet auch die Weiterbildung unter der wirtschaftlichen Schwäche der Region. Hier zeigt sich exemplarisch der dringende Bedarf an zukunftsweisenden politischen Handlungs- und Investitionskonzepten für strukturschwache Regionen. Denn mit dem schwindenden Bedarf an weitergebildeten Arbeitskräften sinkt die Bereitschaft und das Engagement fördernder Akteure. Es droht die Resignation. Dabei kann Weiterbildung die Innovationsfähigkeit einer Region unterstützen.

 

 

 

Dieser Text basiert auf einer wissenschaftlichen Fallstudie von Prof. Dr. Harm Kuper und Mitarbeiter/innen (Johannes Christ, Nadine Lohse, Katharina Hoppe, Stephanie Gerlach), die an der Freien Universität Berlin durchgeführt wurde.

Die ausführliche Fallstudie findet sich in dem Ergebnisbericht des Deutschen Institutes für Erwachsenenbildung unter www.ergebnisbericht.deutscher-weiterbildungsatlas.de