Main-Rhön

                                                  Hier wird jede Arbeitskraft gebraucht

 

Die Raumordnungsregion Main-Rhön in Bayern weist gerade bei Geringqualifizierten eine Teilnahmequote auf, die deutlich über den Erwartungen liegt. So nehmen im Untersuchungszeitraum jährlich knapp 10 Prozent der geringqualifizierten Personen an einer Weiterbildung teil. Dies führt zu einer Potenzialausschöpfung von 147 Prozent. Geringqualifizierte scheinen also besonders von den Möglichkeiten vor Ort zu profitieren. Die Teilnahmequote aller Bewohner ab dem 25. Lebensjahr fällt dagegen nämlich nur geringfügig überdurchschnittlich aus. Die folgende Fallstudie zeigt, welche Umstände diese Ergebnisse erklären können.

Schweinfurt ist das Oberzentrum der Raumordnungsregion Main-Rhön, zu der außerdem die Kreise Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld, Haßberge sowie der Kreis Schweinfurt gehören. Main-Rhön im Norden Bayerns spiegelt mit einem deutlichen Bevölkerungsrückgang vor allem in den Jahren 2007 bis 2010 klar den demografischen Wandel in Deutschland wider. Indes: Positive Wanderungssalden waren zuletzt Ausdruck der Anziehungskraft einer Region, die dringend Arbeitskräfte braucht. Bereits heute fehlen hier rund 16.000 Mitarbeiter vor allem im verarbeitenden Gewerbe, gefolgt von den Dienstleistungszweigen Gesundheit-, Veterinär- und Sozialwesen sowie Handel und Kfz.

Der überwiegende Teil der Region hat Tages- und Wochenenderholungsfunktion – besonders das Bäderland Bayerische Rhön. Aber auch in den anderen Gemeinden finden sich Ansatzpunkte des Fremdenverkehrs.

Die Stadt Schweinfurt hingegen ist seit mehr als 100 Jahren Industriestadt. Sie ist das Zentrum der europäischen Wälzlagerindustrie und ein wichtiger Standort der Autoteilezubehörproduktion: Dazu gehören die Schaeffler Gruppe mit ihrer Marke FAG, die Bosch Rexroth AG, die SKF GmbH und die ZF Friedrichshafen AG mit der Marke Sachs. Außerdem unterhält hier das Unternehmen SRAM den weltweit größten Entwicklungsstandort der Fahrradindustrie.


Bruttowertschöpfung rauf, Arbeitslosigkeit runter

Von 2007 bis 2012 ist die Bruttowertschöpfung in der Region Main-Rhön kontinuierlich gestiegen. Lediglich Schweinfurt musste 2009 einen starken Einbruch hinnehmen, hatte sich aber schon ein Jahr später wieder davon erholt. 2012 lag die Bruttowertschöpfung in Schweinfurt bei knapp über 4 Milliarden Euro, in den Kreisen jeweils zwischen knapp zwei bis knapp zweieinhalb Milliarden Euro.

Die Arbeitslosenquote in der Region Main-Rhön ist im Zeitraum 2007 bis 2012 gesunken, sowohl in Schweinfurt als auch in den Landkreisen. Zuletzt lag sie weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 6,8 Prozent. 2012 konnten sich die Landkreise Rhön-Grabfeld (Arbeitslosenquote bei 3,2 Prozent), Haßberge (Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent) und Schweinfurt (Arbeitslosenquote bei 3,2 Prozent) über nahezu Vollbeschäftigung freuen. In der gesamten Region werden händeringend Arbeitskräfte gesucht. Eine gute Voraussetzung also, um auch als Geringqualifizierter eine Beschäftigung zu finden.

Experten bestätigen diese guten Chancen und einen steigenden Bedarf an Geringqualifizierten in den vergangenen Jahren unter anderem im Pflegebereich und im Gastgewerbe. Beides sind zentrale Branchen für die Region, sowohl was den demografischen Wandel angeht als auch die Bedeutung des Tourismus. Diese Entwicklung führte nach Expertensicht quasi zwangsläufig zu einer steigenden Teilnahme an Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Schließlich wird in der Region auch die Wiedereingliederung von Frauen in den Arbeitsmarkt nach der Familienzeit gefördert, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.


Stärkere Förderung von Geringqualifizierten

Das Jobcenter und die Sozialzentren in der Region Main-Rhön haben angesichts des boomenden Arbeitsmarkts verstärkt „schwächere Personen“ gefördert, um auf diese Weise deren Chancen auf einen Arbeitsplatz zu erhöhen. Die guten Chancen für Geringqualifizierte motivierten nach Expertensicht dann diese auch, an Weiterbildungs und Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen, und sich zum Beispiel mit Unterstützung der Jobcenter zum Facharbeiter zu qualifizieren. Dort, wo Berufschancen bestehen und auch sichtbar gemacht werden, ist also auch der Nutzen von Weiterbildung für die Menschen direkt greifbar.

Die Schweinfurter Großbetriebe der Metallbranche sowie das Unternehmen Siemens in Neustadt an der Saale (Bad Kissingen) haben Geringqualifizierte besonders in den Zeiten der wirtschaftliche Krise (2008 bis 2010) weiterqualifiziert. Das geschah zu einem hohen Anteil innerbetrieblich und über die Förderinstrumente der Bundesagentur für Arbeit. Auch nach der Krise hat man diese Qualifizierungspolitik beibehalten.

Parallel dazu weist die Region Main-Rhön einen hohen Grad an interkommunaler Kooperation auf. Bereits 1998 haben sich politische Akteure der Region, Wirtschaftsorganisationen sowie Hochschulen zu einem gemeinsamen Regionalmarketing zusammengeschlossen. Damit wollen sie Stärken, Kompetenzen und Potenziale der Region fördern.


Fazit

Die Region Main-Rhön braucht Arbeitskraft. Unternehmen suchen händeringend Fachkräfte. Wer höher qualifiziert ist, hat kaum Probleme, hier einen Job zu finden. Daher richtet sich der Fokus zum einen auf die Nachqualifizierung zur Anerkennung der Berufsabschlüsse von Ausländern und zum anderen auf die Stärkung bzw. Qualifizierung von „schwächeren“ Personen. Jeder soll hier durch Weiterbildung für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden – und zwar dauerhaft. Dafür geht man auch eigene Wege. So folgt die Stadt Schweinfurt der Philosophie, dass Geringqualifizierten letztlich durch den Erwerb formaler Abschlüsse am besten geholfen wird. Solche Strategien kosten Geld, aber sie zahlen sich für alle aus.

 

Dieser Text basiert auf einer wissenschaftlichen Fallstudie von Bettina Thöne-Geyer, die an dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung durchgeführt wurde.

Die ausführliche Fallstudie findet sich in dem Ergebnisbericht des Deutschen Institutes für Erwachsenenbildung unter www.ergebnisbericht.deutscher-weiterbildungsatlas.de