Potenzialausschöpfung – Regionale Merkmale erklären Unterschiede nur bedingt

Wie gut nutzt eine Region ihre strukturellen Rahmenbedingungen für Weiterbildung? Gelingt es ihr, Menschen entsprechend der regionalen ökonomischen und sozialen Voraussetzungen für Weiterbildung zu aktivieren? Ein Maß, das darüber Auskunft gibt, ist die Potenzialausschöpfung. Sie gibt an, inwieweit die tatsächliche Weiterbildungsbeteiligung von einer erwarteten Beteiligung abweicht. Im regionalen Vergleich sind die Werte breit gefächert. Es gibt Regionen, die ihr Potenzial nur unzureichend ausschöpfen und Regionen, die eine erwartete Teilnahmequote deutlich übertreffen. Jede Region kann sich aber in jede Richtung entwickeln. Dabei gilt: Je höher die Teilnahmequote, desto besser werden vorhandene Potenziale auch genutzt. Regionen mit einer hohen Weiterbildungsbeteiligung übertreffen in der Regel auch die Erwartungen.

Wie schon bei der Weiterbildungsteilnahme so werden auch bei der Potenzialausschöpfung zunächst die Ergebnisse für die Gesamtbevölkerung ab dem 25. Lebensjahr diskutiert. Die erwartete Teilnahmequote berechnet sich aus der örtlichen Sozial-, Wirtschafts- und Infrastruktur. Die Potenzialausschöpfung ist die Abweichung der tatsächlichen von der erwarteten Teilnahmequote. Werte unter 100 Prozent zeigen an, dass Regionen bzw. Bundesländer unter der erwarteten Teilnahmequote liegen. Bei Werten über 100 Prozent übertreffen sie diese.


Niveau der Potenzialausschöpfung – Sehr geringe Teilnahmequoten kaum durch regionalspezifische Sozial-, Wirtschafts- und Infrastruktur erklärbar

Auf Ebene der Bundesländer weist Hamburg mit 81,8 Prozent die geringste Potenzialausschöpfung auf. Am gegenüberliegenden Ende der Skala befindet sich Hessen. Das Bundesland übertrifft seine erwartete Teilnahmequote um 11,1 Prozent. Auf Ebene der 96 Raumordnungsregionen sind die Werte deutlich breiter gefächert. Sie reichen von einer geringen Ausschöpfung von 47,7 Prozent im Emsland bis hin zu 131,4 Prozent in der Region Schleswig-Holstein Süd-West. Das räumliche Muster fällt bei der Potenzialausschöpfung ähnlich aus wie bei der Teilnahme. So liegen Regionen im Süden der Republik häufiger über den erwarteten Teilnahmequoten als Regionen im Norden. Einige Regionen bleiben deutlich und konstant hinter den Erwartungen zurück.

Viele Regionen, die die Erwartung übertreffen, zeigen eine hohe Teilnahme. Es gibt aber auch 15 Regionen, die trotz unterdurchschnittlicher Teilnahme die Erwartungen übertreffen. Eine dieser Regionen ist Emscher-Lippe. Bei einer deutlich unterdurchschnittlichen Teilnahmequote von 11,6 Prozent (Bund 13,5 Prozent) übertrifft sie ihre Erwartungen um 14,8 Prozent (Potenzialausschöpfung 114,8 Prozent). Auf der anderen Seite schafft die Region München es nicht, den hohen statistischen Erwartungen gerecht zu werden und schöpft mit einer überdurchschnittlichen Teilnahmequote von 15,8 Prozent nur 76,5 Prozent ihres Potenzials aus.

Es gibt also offensichtlich Regionen, die ihre sozialen und strukturellen Gegebenheiten in Bezug auf Weiterbildung besser nutzen als andere. So sind teils erhebliche Abweichungen vom Erwartungswert zu beobachten – sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht. Obwohl regionale Merkmale die Weiterbildungsteilnahme auf Bundesebene ziemlich gut vorhersagen lassen, lassen sich stark abweichende Teilnahmequoten nicht hinreichend durch diese erklären. Ansonsten müssten die Werte durchgehend nahe 100 Prozent liegen.

Insgesamt erklären die bei der Potenzialausschöpfung berücksichtigten Merkmale der Sozial- , Wirtschafts- und Infrastruktur 33 Prozent der Unterschiede in den Teilnahmequoten. Es muss also weitere Faktoren geben, die für die Unterschiede bei der Weiterbildungsteilnahme verantwortlich sind.


Trends der Potenzialausschöpfung – Veränderungen regional sehr verschieden

Nimmt die Teilnahme an Weiterbildung über die Jahre zu, erhöht sich in der Regel auch die Ausschöpfung des regionalen Potenzials. Umgekehrt geht eine Verschlechterung der Teilnahmequote zumeist mit einer niedrigeren Ausschöpfung einher. Diese Entwicklungen fallen vergleichsweise deutlich aus. Die Trends der Potenzialausschöpfung korrelieren nämlich stärker mit der Teilnahmequote, als dies bei den Niveaus der Fall ist.

Schaut man auf Deutschlands Regionen, zeigen sich teils große Veränderungen in der Potenzialausschöpfung. Auf Ebene der Bundesländer bewegen sie sich im Bereich von –10,5 Prozentpunkten in Berlin bis hin zu +13,6 Prozentpunkten in Rheinland-Pfalz (Zeitraum 2007 bis 2012). Auf Ebene der Raumordnungsregionen sind die Unterschiede weit größer. Hier kommt es zwischen 2007 und 2012 zu Veränderungen von –45,8 Prozentpunkten in der Altmark bis hin zu +35,6 Prozentpunkten in der Region Lausitz-Spreewald. Die Altmark hat sich mit dieser Entwicklung zu einer Region entwickelt, die hinter den Erwartungen zurückbleibt. Lausitz-Spreewald hingegen lag 2007 deutlich hinter den Erwartungen zurück und liegt gegen Ende des Untersuchungszeitraums deutlich darüber.

Der Blick auf die Potenzialausschöpfung zeigt, dass Regionen sich im Laufe der Zeit verbessern und ihre Potenziale optimaler nutzen können. Sie können sich allerdings auch verschlechtern und Potenziale verschenken. In welche Richtung eine Region sich entwickelt, hängt zum großen Teil davon ab, ob ihre Weiterbildungsquote zu- oder abnimmt. Was die bis hierhin vorgestellten Daten allerdings noch nicht beantworten können, ist die Frage, warum die Teilnahme an Weiterbildung steigt oder fällt.


Zusammenhänge – Unterschiede durch weitere Faktoren begründet

Insgesamt lässt sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Potenzialausschöpfung und der beobachteten Weiterbildungsteilnahme feststellen, der vor allem durch die Konstruktion der Potenzialausschöpfung bedingt ist. So geht eine niedrige Weiterbildungsteilnahme häufig mit einer geringen Potenzialausschöpfung einher. Umgekehrt übertreffen Regionen mit hoher Weiterbildungsteilnahme in der Regel auch die Erwartungen. Allein die Weiterbildungsteilnahme besitzt also schon eine hohe Aussagekraft hinsichtlich der regionalen Potenzialausschöpfung.

Die regionalen Unterschiede in der Weiterbildungsteilnahme lassen sich nur bedingt (genauer gesagt zu 33 Prozent) durch die regionale Sozial-, Wirtschafts- und Infrastruktur erklären. Es muss weitere, bisher nicht berücksichtigte Faktoren geben, die einen Einfluss auf die Weiterbildungsteilnahme haben. Diese Faktoren können in der Region begründet sein und sind für die Erklärung der Weiterbildungsteilnahme wichtig. Für weitere Untersuchungen interessant sind hier vor allem Regionen, die sich sowohl durch eine auffällige Teilnahmequote als auch durch eine auffällige Potenzialausschöpfung auszeichnen. Im Vordergrund steht die Frage, warum manche Regionen konstant hinter ihren Erwartungen zurückbleiben, während andere diese konstant übertreffen. Hinweise auf weitere Einflussfaktoren geben die Fallstudien. Sie haben gezeigt, welche regionalen Bedingungen eine hohe Teilnahme an Weiterbildung fördern: So sollten Weiterbildungseinrichtungen gut erreichbar und vernetzt sein. Die Akteure vor Ort sollten sich mit Blick auf den lokalen Weiterbildungsbedarf abstimmen und die Weiterbildungsinteressierten neutral beraten werden. Letztlich entscheidet natürlich auch die Qualität der regionalen Angebote, ob Menschen sich häufiger weiterbilden oder nicht. Für eine Studie wie den Weiterbildungsatlas ist der Faktor Qualität aber nicht zu fassen.


Broschüre Deutscher Weiterbildungsatlas

Die Broschüre liefert eine Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse des dritten Deutschen Weiterbildungsatlas.

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Ergebnisbericht

In dem Ergebnisbericht des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) des WBV-Verlags finden Sie weiterführende Informationen zu den Ergebnissen und Methoden sowie die ausführlichen Fallstudien der Wissenschaftler vom DIE und der FU Berlin.

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