Weiterbildungsteilnahme von Geringqualifizierten – In der Weiterbildung konstant abgeschlagen

Menschen ohne formale Bildungsabschlüsse oder Berufsqualifikationen brauchen Chancen, um am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und beruflich voranzukommen. Zudem stellen sie für die Wirtschaft ein wichtiges Potenzial dar. Umso alarmierender ist der Befund, dass in Deutschland die Teilnahme an Weiterbildung bei Geringqualifizierten deutlich geringer ausfällt als bei Höherqualifizierten. Ihre Weiterbildungsquote liegt zwei Drittel unter der von Personen mit Berufsabschlüssen. Am niedrigsten liegt sie im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Das ist auch deshalb bemerkenswert, da in Westdeutschland der Anteil an Geringqualifizierten zwei bis vier Mal höher ist als im Osten. Trotzdem liegt in den westlichen Bundesländern die Teilnahme Geringqualifizierter an Weiterbildung kaum höher.

In der weiteren Betrachtung unterscheiden wir zwischen Geringqualifizierten und Höherqualifizierten. Beide Gruppen zusammen ergeben die Gesamtbevölkerung Deutschlands im Alter zwischen 25 und 54 Jahren. Außerdem können für folgende fünf Regionen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Ergebnisse zur Weiterbildungsteilnahme Geringqualifizierter ausgewiesen werden: Emsland, Göttingen, Uckermark-Barnim, Altmark und Dessau.

Einer der zentralen Aspekte der vorliegenden Untersuchung ist die Situation der Geringqualifizierten, die an dieser Stelle aufgegriffen wird. Als gering qualifiziert gelten Menschen, die keinen berufsqualifizierenden Abschluss besitzen – die also weder eine Ausbildung noch ein Studium absolviert haben bzw. eines von beiden derzeit absolvieren. Der Weiterbildungsatlas konzentriert sich dabei auf Geringqualifizierte im zentralen Erwerbsalter (25 - 54 Jahre). Durch diesen Fokus lassen sich arbeitsmarktrelevante Ergebnisse und Erkenntnisse gewinnen und Verzerrungen durch durchschnittlich niedrigere Qualifikationen bei älteren Jahrgängen minimieren.

In der Summe sind es etwa 5 Mio. Menschen beziehungsweise knapp 15 Prozent der Bevölkerung in dieser Altersgruppe, die wir hier betrachten. Es sind Menschen, die schon in ihrer zurückliegenden Bildungskarriere in der Regel weniger erfolgreich waren. Für sie ist es besonders wichtig, Berufsqualifikationen zu erlangen und formale Abschlüsse nachholen zu können. Der Anteil der Geringqualifizierten an der Gesamtbevölkerung liegt im Osten der Republik deutlich unter dem im Westen. In den alten Bundesländern ist der prozentuale Anteil über die Jahre im Schnitt zwei bis vier Mal höher – und das relativ konstant.

Geringqualifizierte stellen für die zukünftige ökonomische Entwicklung Deutschlands ein bedeutendes Potenzial dar. Angesichts der demographisch bedingten Überalterung unserer Gesellschaft brauchen wir qualifizierte Menschen, mit denen der fortschreitende Wandel zur Wissens- und Informationsgesellschaft auch wirklich gelingt. Gleichzeitig gilt es, die Zahl der Arbeitslosen – und damit die Kosten für Sozialleistungen – zu senken. Und da kann Weiterbildung helfen. Höherqualifizierte Personen haben nämlich ein deutlich geringeres Arbeitslosigkeitsrisiko.


Niveau der Teilnahmequoten – Geringe Teilnahme mit regionalen Unterschieden

Geringqualifizierte bilden sich deutlich weniger fort als Höherqualifizierte. Die mittlere Teilnahmequote unter den gering qualifizierten Personen in Deutschland beträgt 6,7 Prozent. Diejenige von Personen mit Berufsabschlüssen liegt mit 22,5 Prozent um mehr als das Dreifache darüber.

Die vergleichsweise niedrige Teilnahme Geringqualifizierter an Weiterbildung findet sich in allen Bundesländern. Dennoch unterscheiden sich die Quoten. Den geringsten Wert verzeichnet mit einer Teilnahmequote von 5,5 Prozent das Land Nordrhein-Westfalen, den höchsten Thüringen: Hier bilden sich im Schnitt 8,5 Prozent der Geringqualifizierten weiter. Obwohl Ost und West unterschiedliche Anteile Geringqualifizierter an der Gesamtbevölkerung aufweisen, unterscheiden sich die Teilnahmequoten für Geringqualifizierte in allen Bundesländern nur geringfügig. Eine höhere Anzahl geringqualifizierter Menschen in den westlichen Bundesländern geht also offensichtlich nicht einher mit einer verstärkten Teilnahme dieser Gruppe an Weiterbildung.

Liegen die Bundesländer noch dicht beieinander, sind die Differenzen auf Regionalebene deutlicher. Die Region mit der höchsten Teilnahmequote unterscheidet sich von der mit der niedrigsten um etwa acht Prozentpunkte. Dies entspricht mehr als dem Dreifachen. Zu den Schlusslichtern zählen die Raumordnungsregion Aachen (3,0 Prozent), Südsachsen (3,5 Prozent) sowie das Allgäu (3,6 Prozent). Die höchsten Teilnahmequoten unter den Geringqualifizierten verzeichnen die Regionen Oberes Elbtal/Osterzgebirge (10,7 Prozent), Mittelthüringen (10,1 Prozent), Main-Rhön (9,8 Prozent) sowie Schleswig-Holstein Ost (9,7 Prozent).

 

 

 


Trends der Teilnahmequoten – Sinkende Teilnahmequoten in Niedersachsen und Thüringen

Schauen wir auf das gesamte Bundesgebiet, ändert sich in den Jahren 2007 bis 2012 die durchschnittliche Teilnahme an Weiterbildung nur geringfügig. Das gilt sowohl für Geringqualifizierte als auch für die Höherqualifizierten. In beiden Fällen steigt sie zwar leicht an, fällt dann aber auch wieder zurück. Im Bundesländervergleich fallen die Unterschiede moderat aus. Während im Untersuchungszeitraum die Teilnahmequote in Hessen mit insgesamt +1,6 Prozentpunkten noch am stärksten zulegt, nimmt sie in Thüringen mit –2,1 Prozentpunkten am deutlichsten ab.
Auf Ebene der Regionen sind die Veränderungen ausgeprägter. So sinken die  Teilnahmequoten in Nordthüringen und Ostthüringen mit –9,0 bzw. –6,7 Prozentpunkten am stärksten und legen die Regionen Mecklenburgische Seenplatte und Schleswig-Holstein Nord mit +6,1 bzw. +5,8 Prozentpunkten am deutlichsten zu.


Zusammenhänge - Handlungsbedarf in nahezu allen Regionen

Eigentlich sollten Geringqualifizierte am stärksten von Weiterbildung profitieren. Gerade sie nehmen aber in Deutschland deutlich seltener an Weiterbildung teil als Personen, die über berufsqualifizierende Abschlüsse verfügen. Bei letzteren ist die Weiterbildungsteilnahme im Schnitt dreimal so hoch wie bei den Geringqualifizierten. Das ist ein deutliches Ungleichgewicht, welches auch über die Jahre konstant bestehen bleibt. Dass Geringqualifizierte konstant (und deutlich) weniger an Weiterbildung teilnehmen als Höherqualifizierte, illustriert einen dringenden Handlungsbedarf.
             Bedenklich ist die Situation in den Regionen bzw. Bundesländern, in denen besonders wenige Geringqualifizierte an Weiterbildung teilnehmen, obwohl ihr Anteil an der regionalen Gesamtbevölkerung vergleichsweise hoch ist. Das betrifft im Grunde alle westdeutschen Bundesländer, vor allem jedoch Nordrhein-Westfalen. Das bevölkerungsreichste Land der Bundesrepublik hat 2012 knapp 1,4 Millionen Geringqualifizierte (25 – 54 Jahre) und damit einen der höchsten Anteile (19,9 Prozent) im Ländervergleich und weist zwischen 2007 und 2012 zudem auch deren niedrigste Beteiligung (5,5 Prozent) auf. Hier findet sich mit Aachen dann auch die Region, in der Geringqualifizierte (mit einem Anteil von 3 Prozent) bundesweit am wenigsten an Weiterbildung teilnehmen. Und auch eine Prognose aufgrund der Veränderungen verheißt keine schnelle Besserung.

Auf Landesebene ist die Teilnahmequote rückläufig und auch die meisten Regionen Nordrhein-Westfalens weisen einen deutlich negativen Trend auf. Wenn sich jedoch immer weniger Geringqualifizierte durch Weiterbildung qualifizieren, droht mittelfristig ein Überschuss dieser Personengruppe auf dem Arbeitsmarkt. Besonders in Regionen, in denen durch den Strukturwandel und die Automatisierung manuelle Tätigkeiten rückläufig sind, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um Geringqualifizierte durch Weiterbildung für andere Tätigkeiten zu qualifizieren.


Downloads

Broschüre Deutscher Weiterbildungsatlas

Die Broschüre liefert eine Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse des dritten Deutschen Weiterbildungsatlas.

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PDF-Datei, 7,56 MB

 

Ergebnisbericht

In dem Ergebnisbericht des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) des WBV-Verlags finden Sie weiterführende Informationen zu den Ergebnissen und Methoden sowie die ausführlichen Fallstudien der Wissenschaftler vom DIE und der FU Berlin.

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Karten zur Weiterbildungsteilnahme Geringqualifizierte

Karten zu weiteren Indikatoren können Sie unter "Interaktive Karten" abrufen.